50 Jahre Kommunalreform: Das Stadtarchiv Kleve, der Klevische Verein und Cellina bereiten eine Veranstaltung zum „Jubiläum“ im Kolpinghaus vor. Es soll auch über die Zukunft diskutiert werden: Brauchen wir eine weitere Reform?

Für den Neu-Klever präsentiert sich Kleve heute als eine lebendige, seit Ansiedlung der Hochschule vor allem auch junge und internationale Stadt. Lang gestreckt begrüßt die Kommune den Neuankömmling am Ortseingang im Westen nach einer langen Walddurchfahrt mit einem Sportplatz (Siegfried Materborn) und entlässt ihn wieder im Osten mit einem Schlösschen (Haus Schmidthausen). Die Sichtachsen der alten Alleen, die die Stadt seit dem Barock prägen, bestärken den Eindruck. Dass der Neu-Klever bei seiner Fahrt drei Ortsteile durchkreuzt, merkt er erst, wenn er in die Geschichte dieser Stadt schaut: Denn erst 1969 wuchs zusammen, was heute zusammengehört und als Ganzes erlebt wird: Materborn und Kellen verloren bei der großen Kommunalreform ihre Eigenständigkeit und wurden zu Ortsteilen der Stadt Kleve, unter anderem die Ortschaften Rindern, Bimmen, Keeken, Donsbrüggen und Warbeyen kamen hinzu, Griethausen, zu dem Kellen einst gehörte hatte, verlor sein Amt. Insgesamt 14 Ortschaften und Ortsteile zählte die Stadt, die 1969 durch die Eingemeindungen von knapp 23.000 Einwohner auf 45.000 wuchs. Heute zählt Kleve über 51.000 Einwohner.

„Am 1. Juli 1969 trat das vom Landtag beschlossene „Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Kleve“ in Kraft. Dadurch reduzierte sich die Zahl der Kommunen in diesem Landkreis von 46 auf sechs. Es entstanden die Städte Kleve, Kalkar und Goch sowie die Gemeinden Kranenburg, Bedburg-Hau und Uedem in ihrer heutigen Form“, sagt Kleves Stadtarchivar Bert Thissen. Der Hintergrund sei damals gewesen, den ländlichen Raum langfristig zu sichern.

Aber ist die Saat, die 1969 gelegt wurde, aufgegangen? Muss nachgebessert werden, wie haben sich die Ortsteile entwickelt und sind sie entsprechend in den Gremien der Stadt vertreten? Muss man heute noch großräumiger, gar europäisch denken? Wie können die Ortsteile und Ortschaften ihre kulturelle, traditionsreiche Eigenständigkeit wahren? Nicht zuletzt wurden viele Heimatvereine, wie beispielsweise Rindern und Düffelward, aus diesem Impetus heraus gegründet.

All das sind Fragen, die jetzt, 50 Jahre nach der Reform, wieder anstehen. Die es lohnen, diskutiert zu werden. Das möchte der Klevische Verein für Kultur und Geschichte und Cellina Kellen zusammen mit Stadtarchivar Thissen bei einer Festveranstaltung am Freitag, 27. September, 18 Uhr, im Kolpinghaus mit einem breit besetzten Podium diskutieren, nachdem Bert Thissen in einem Beitrag die Eckpunkte der Reform vorgestellt hat. Thissen, Rainer Hoymann, Vorsitzender des Klevischen Vereins für Kultur und Geschichte, und Wolfgang Dahms, Vorsitzender des Heimatvereins Kellen „Cellina“, sitzen in der neuen Bibliothek des Klevischen im Bahnhof (gewissermaßen auf der alten Grenze Kleve/Kellen) und diskutieren über die Reform, ihre Auswirkung und die Zukunft, um den 27. September vorzubereiten.

„Ohne den Zusammenschluss hätte man die Strukturprobleme in der Stadt in den 1970er und 1980er Jahre nicht lösen können“, blickt Rainer Hoymann auf die Schließung der großen Industriewerke wie XOX und Elefanten und später auch Union. So habe man die Gewerbegebiete einrichten und für Kleve eine neue wirtschaftliche Grundlage schaffen können, nur als eine große städtische Kommune habe der Kreis für Kleve den Zuschlag als Hochschul-Standort bekommen, blickt Hoymann zurück. „Aber wir wollen nicht nur über die Vergangenheit reden“, betont der Vorsitzende des Klevischen. Es gehe auch, so wiederum Bert Thissen, um neue Probleme in Zeiten der Digitalisierung, um Leerstände, um die Zukunft von Innenstädten.

„Wir müssen für die Zukunft in Kleve die Schönheiten betonen, die Parks, die Burg, wir müssen die Ortsteile touristisch aufwerten und einbinden, Wege in die Niederlande suchen“, skizziert Hoymann einige Visionen. Wolfgang Dahms weist auf vorhandene Strecken, die auf kurzen Wegen auch bis Arnheim führen. „Die alten Bahntrassen existieren noch, oft als Wirtschaftswege, hier böte sich ein Netz weiterer Europa-Radstraßen an“, sagt er. Dennoch sei es wichtig, fügt Dahms an, dass die Ortsteile in ihren typischen Charakter bewahren.

Und nicht nur das. Thissen stellt die berechtigte Frage, ob man nicht an einen Punkt angekommen sei, bei dem man fragen müsse, wie groß muss eine Kommune eigentlich sein, um weiter die Belange der Bürger und die Herausforderungen der Zeit stemmen zu können. Allein mit Blick auf die komplizierten europäischen Vergaben. Für Hoymann steht fest: „Wir müssen künftig großräumiger denken“.

Der 27. September sollte also spannend werden.

 

INFO

Kommunalreform im Kreis Kleve vor 50 Jahren
Kommunen Bei der Kommunalreform im Juli 1969 wurden landesweit Kommunen zusammengefügt. Im Kreis Kleve wurden aus 46 Kommunen sechs.

Kolpinghaus Das Stadtarchiv Kleve und die Heimatvereine der Klevische und Cellina schauen auf das Jubiläum mit einer Veranstaltung im Kolpinghaus am 27. September: Es gibt einen Vortrag von Stadtarchivar Bert Thissen und eine Podiumsdiskussion.

Reihe In den kommenden Wochen begleiten wir in einer Reihe die Vereine und das Stadtarchiv und beleuchten die Reform aus verschiedenen Blickwinkeln.

 

Quelle: RP Online, Matthias Grass, 30.08.2019